Aanpak Ring Zuid
Stadt Groningen in Holland setzt auf Fahrradtunnel aus Betonfertigteilen
Die Deutschen und die Holländer – das war schon immer keine leichte Beziehung. Beim Fußball haben die Deutschen oft die Oberhand behalten, aber in einem Punkt können sie dem Nachbarn im Westen nicht das Wasser reichen: beim Radfahren. Der Drahtesel ist in Holland quasi Teil der DNA. Vom Premierminister über den Manager bis zum Arbeiter und Studenten – zwischen Den Haag und Arnheim schwingt man sich jeden Morgen aufs Rad, egal ob‘s regnet oder stürmt. Nirgends auf der Welt sind Radnutzung und Radwegedichte höher. Dass sich dies auch in der Verkehrsplanung zeigt liegt auf der Hand – so sind in den Niederlanden gut ausgebaute Radwege eine Selbstverständlichkeit. Wo sich in Deutschland Radfahrer in Kreuzungsbereichen über lästige Fußgängerampeln „hangeln“ müssen, gleiten Niederländer ohne zu stoppen durch eigens angelegte Tunnels unter Straßen oder Gleisanlagen hindurch. Auch beim Großprojekt „Aanpak Ring Zuid“ in Groningen wurde ein neuer Fahrradtunnel gebaut. Aus mehreren Gründen setzten die Planer hierbei auf eine Lösung aus Betonfertigteilen.
Hinter dem Stichwort „Aanpak Ring Zuid“ verbirgt sich für die Hauptstadt der Provinz Groningen ein gigantisches Verkehrsprojekt. Große Teile des Verkehrs, der bisher über die 12 Kilometer lange südliche Ringstraße von Hoogkerk nach Euvelgunne verlief, sollen künftig neu geordnet werden. Das Motto lautet: Verbesserung des Verkehrsflusses, bessere Erreichbarkeit der Stadt, mehr Begrünung und mehr Verkehrssicherheit. Nach einer Untersuchung des Verkehrsclub Österreich VCÖ aus dem Jahre 2013 gehört Groningen zu den fahrradfreundlichsten Städten Europas, was den Anteil des Fahrrads am Alltagsverkehr betrifft. Etwa 31 % der Wege der Einwohner werden hier mit dem Rad zurückgelegt. Da ist es selbstverständlich, dass auch im Rahmen der geplanten Umbaumaßnahmen die Optimierung des Radverkehrs eine bedeutende Rolle spielt.
Tunnel in nur 48 Stunden aufgebaut
In der Tat: Um eine Sichere Querung der Gleisanlagen im Bereich der Esperanto-Kreuzung zu gewährleisten, entschied sich der Auftraggeber „Combinatie Herepoort“ für den Bau einer Unterführung für Fußgänger und Fahrradfahrer zwischen Helperzoom und dem Europapark. Damit die notwendigen Sperrzeiten für den Bahnverkehr zwischen Groningen und Assen möglichst gering ausfallen, wählten die Planer eine Fertigteillösung aus dem Betonwerk Kleihues aus Emsbüren. Dipl.-Ing. Paul-Martin Großkopff – Geschäftsführer der Firma Kleihues erläutert die Vorzüge dieser Bauweise: „Der Esperanto-Tunnel setzt sich aus 18 einzelnen Betonelementen, inklusive je 4 Kopf- und Schwellwänden sowie 4 Endgleisungsschutzriegeln zusammen. Da wir in der Lage waren, in Schichtarbeit mit zwei Montageteams à 4 Mann zu arbeiten, konnten wir alleine den Tunnel in nur 48 Stunden aufbauen. Nach einer Sperrung von lediglich 7 Tagen rollten bereits die ersten Züge wieder über die neu verlegten Gleise. Ein Bau des Tunnels nach herkömmlicher Bauweise mit Ortbeton, hätte sicher deutlich mehr Zeit in Anspruch genommen.“
Unempfindlich gegen Setzungen und schwankende Grundwasserstände
Die Verwendung von Betonfertigteilen bot aber noch weitere Vorteile: Hierzu Paul-Martin Großkopff: „Aufgrund der trapezförmigen Geometrie sowie der großen lichten Abmessungen des Tunnelprofiles (750 x 350 cm), werden die Fertigteile mittels Mörtelfuge und vollständiger Vorspannung abgedichtet. Hierbei werden in Decke und Sohle der Fertigteile Hüllrohre eingebaut durch welche nach dem Verlegen Vorspannlitzen gefädelt werden. Diese werden dann mit einer definierten Vorspannung versehen und anschließend verpresst. Der Vorteil dieser in den Niederlanden sehr verbreiteten Bauweise erklärt sich wie folgt: Oft hat man es in unserem Nachbarland aufgrund der Sandböden mit weniger tragfähigem Baugrund zu tun. Durch die Vorspannung der Fertigteile wirkt der gesamte Tunnel jedoch wie ein Balken auf elastischer Bettung und ist deutlich unempfindlicher gegen Setzungen und schwankende Grundwasserstände.“ Die Anlieferung der Fertigteile mit einer Transportbreite von 4,90 Metern erfolgte just in time. Anschließend brachte ein 500-Tonnen Mobilkran die Fertigteile mit einem Gewicht von etwa 46 Tonnen an Ort und Stelle.
Fertigteile bieten hohe Qualität
Noch ein Vorteil ergibt sich im Vergleich zur herkömmlichen Bauweise: „Fertigteile werden unter kontrollierten Bedingungen und laufenden Qualitätskontrollen im Werk produziert“, erklärt Paul-Martin Großkopff. „Hierdurch ergibt sich im Vergleich zur Ortbetonbauweise oft eine bessere Betonqualität, die auch optische Vorteile bietet. Außerdem sind durch den Einsatz von Fertigteilen deutlich weniger Arbeitsschritte erforderlich. Dies vereinfacht das ganze Bauvorhaben und reduziert auf diese Weise mögliche Fehlerquellen.“
Der Bau des Esperanto-Tunnels erfolgte im August 2017. Das Gesamtprojekt „Aanpak Ring Zuid“ soll 2021 abgeschlossen sein. Eines ist jedoch heute schon sicher: „Im Bereich des Esperanto-Tunnels haben die Radfahrer künftig Vorfahrt – und dank der Trapezform des Tunnels wirkt dieser auch optisch hell und freundlich“, so Paul-Martin Großkopff.
Sehen Sie hier zum Aufbau des Tunnels einen Film